Die Weltreligionen – Warum ist interreligiöses Lernen in einer pluralen Gesellschaft wichtig?

In Zeiten von IS, dem Gaza-Konflikt 2014, dem darauffolgenden modernen Antisemitismus, der islamkritischen PEGIDA, den in Deutschland agierenden Salafisten, der grassierenden Christenverfolgung in Nahost und dem Bremer Pastor Olaf Latzel, hat das interreligiöse Lernen es wahrlich schwer, vielleicht sogar noch schwerer als vor 14 Jahren (9/11); die auseinander dividierenden Themen sind zu zahlreich.

Das interreligiöse Lernen müsste doch insbesondere bei Vorurteilen Wunder wirken, denn anstatt nur über eine »fremde« Religion zu sprechen und vielleicht somit Stereotypen nicht unschädlich zu machen, versucht man im Unterricht die Pole zwischen Identität und Verständigung zu finden, genau dann wenn man interreligiöses Lernen im Unterricht anwendet. Dabei ist doch die Schule ein Treffpunkt für unterschiedliche religiöse und kulturelle Hintergründe, ein Segen für den Dialog müsste man meinen, aber vielleicht eben deshalb auch häufig der Tatort von Diskriminierung und Ausgrenzung. Im Sommer 2014 wurde die Tatsache, dass ein positiver interreligiöser Umgang nicht ausgeprägt genug ist, wieder deutlicher, nachdem der Konflikt im Nahen Osten einen neuen Höhepunkt erreichte und die Wellen der Empörung und Wut auch nach Deutschland kamen. »Hamas! Hamas! Juden ins Gas!« und »Kindermörder Israel.«, hallte es überall in den Großstädten Deutschlands und präsentierte im besonderen Maße auch einen großen Defizit im Dialog der Religionen. Dieter Graumann, damals noch Vorsitzender des Zentralrats der Juden, verwies in einem Interview mit der Rheinischen Post darauf, dass der Ausdruck »Jude« immer häufiger auch als Schimpfwort auf Schulhöfen verwendet wird. Wo liegt das Problem für diese neue Entwicklung im gemeinsamen Umgang, wenn wir doch im Kernlehrplan der christlichen und muslimischen Religionspädagogik das interreligiöse Lernen fest implementiert haben?

Wie schaut der interreligiöse Umgang in der katholischen Kirche aus und warum legt man insbesondere in der katholischen Religionspädagogik so viel Wert auf interreligiöses Lernen?

Am 28. Oktober 1965 wurde eine »revolutionäre« Erklärung vom Zweiten Vatikanischen Konzil veröffentlicht, die das Verhältnis der Kirche zu nichtchristlichen Religionen festlegte (Nostra Aetate); somit legte dieser Erlass auch einen, nach Auschwitz, besonderen Blick auf das christlich-jüdische Verhältnis.

Wenn man in den Katechismus der Katholischen Kirche schaut, wird einem auch bewusst, dass ein interreligiöser Umgang (darunter fällt auch das pädagogische Thema »interreligiöses Lernen«) nicht nur für den demokratischen Lehrer Pflicht ist, sondern auch für den Christen als religiöses Individuum. Unter der Überschrift »Die Kirche und die Nichtchristen« sind besonders die Punkte 839 und 841 evident für den Schulunterricht. Im Punkt 839 wird erläutert, wie die katholische Kirche zum jüdischen Volk und besonders zum Alten Testament steht; denn die Akzeptanz zum jüdischen Alten Testament war nicht immer so, so sah sich die damals noch junge katholische Kirche als Ablöser und Nachfolger des von Gott auserwählten israelitischen Volks und nahm somit die jüdische Theologie als »Sprungbrett« für das Neue Testament. Der Punkt 841 bezieht sich auf den Umgang mit dem Islam, der, wie das Juden- und Christentum auf den Gott Abrahams bezogen ist und daher ähnliche Vorstellungen von Barmherzigkeit und Eschatologie besitzt. Sollte es nicht gerade deshalb, weil Juden, Christen und Muslime viele Gemeinsamkeiten besitzen, normal sein ein gemeinsames interrelgiöses Lernen zu implementieren und auszuleben? Auch die pädagogische Entdeckung von nicht-abrahamitischen Religionen ist für die pluralistische Gesellschaft innerhalb Deutschlands wichtig.

Wenn wir einmal nach Japan blicken, fällt uns auf, dass der interreligiöse Dialog in Schule und Gesellschaft eine unverzichtbare Normalität entwickelt hat. In Japan koexistieren fünf religiöse Körperschaften: Der shintō (Weg der Götter), der Buddhismus (viele verschiedene japanische Schulen), der Konfuzianismus, das Christentum und shinshūkyō (die neuen Religionen); diese Religionen bilden, laut Prof. Dr. Florian Coulmas, die religiöse Identität Japans. Das didaktische Prinzip, was Prof. Dr. Hans Mendl »Lernen in den Räumen der Anderen« nennt, geschieht somit alltäglich in der pluralistischen Gesellschaft Japans und ist für den wirtschaftlichen, wie kulturellen Erfolg unverzichtbar.

Intreligiöses Lernen kann, wie auch die Ökumene, nur dann erfolgreich sein, wenn sich die Weltreligionen auf Augenhöhe begegnen und aufeinander zu gehen; sei es im Schulunterricht, oder im alltäglichen Religions-Dialog.

Scharfmacher gibt es auf allen Seiten, besondere mediale Aufmerksamkeit genießen zur Zeit islamische »Hassprediger«, wie Abou Hamza (Pierre Vogel), Abou Nagie (Lies!-Gründer) und Abou Adam (Sven Lau). Diese Prediger, die besonders beliebt unter jungen Muslimen sind, repräsentieren einen sehr strengen Islam (wahhabitische Strömung) und lehnen jeglichen Dialog mit anderen Weltreligionen ab.

Der Koran wird von den Salafisten so ausgelegt, dass die Heilsbotschaft des Juden- und Christentums, oder sonst einer Religion, gänzlich verneint werden und der Islam über jede andere Religion gestellt wird; ein Dialog auf Augenhöhe entpuppt sich als unmöglicher Drahtseilakt.

Koranverse, wie:

»O ihr Leute des Buches, übertreibt nicht in euerer Religion und sagt über Gott nur die Wahrheit. Christus Jesus, der Sohn der Maria, ist doch nur der Gesandte Gottes und sein Wort, das er zu Maria hinüberbrachte, und ein Geist von ihm. So glaubt an Gott und seinen Gesandten. Und sagt nicht: Drei- Hört auf, das ist besser für euch. Gott ist doch ein einziger Gott. Gepriesen sei Er und erhaben darüber, dass Er ein Kind habe.«

Sure 4, 170

lassen Hassprediger klar stellen, dass Jesus nicht Gotte Sohn sein kann und somit das Christentum als religiöse Gemeinschaft nicht dem göttlichen Heilsplan entspricht (das Christentum ein Irrglaube, wenn man nach den radikalen Islampredigern geht).

Der Reformtheologe Mouhand Khorchide, Professor der islamischen Theologie an der Universität Münster, sieht das anders und führt seit geraumer Zeit einen theologischen Konflikt mit Islamverbänden und Radikalen, weil dieser sich um eine zeitgemäße islamische Theologie bemüht; besonders interessant, da Herr Prof. Dr. Khorchide die Ausbildung zukünftiger Islamlehrer betreut. Seine Interpretation von Islam heißt Barmherzigkeit und er ist der Meinung, dass auch nicht-Muslime die Barmherzigkeit Gottes erfahren können, wenn diese in ihrem Leben Gutes tun; sein Ziel ist es, dass der Islam sich anderen Religionen annähert.

Und auch aus dem Christentum hat vor wenigen Tagen ein Pastor in Bremen für negative Schlagzeilen gesorgt. Der Bremer Pastor Olaf Latzel (Evangelische St. Martini-Gemeinde Bremen) kritisierte den interreligiösen Umgang in Schule und Gesellschaft und prangerte den Synkretismus innerhalb des Christentums an.

Wer die Reliquienverehrung im Katholizismus als »Dreck« betitelt, Buddha als »fetten, alten Herrn« verunglimpft und das islamische Zuckerfest (ʿĪd al-Fitr) als »Blödsinn« abstempelt, der wirft das schulische interreligiöse Lernen und besonders die Ökumene der Religionen um Jahre zurück.

Abschließend kann man sagen, dass besonders für uns Christen im Bezug auf das interreligiöse Lernen, eine Bibelstelle explizit als Vorbild dienen sollte: Johannes 4, 9 – 10. Denn das aufeinander Zugehen ist fruchtbarer, als sich in Unkenntnis von einander zu entfernen.

Literaturverzeichnis:

Abdel-Samad, Hamed (2014): Der islamische Faschismus – Eine Analyse. Droemer Verlag. München.

Coulmas, Florian (2003): Die Kultur Japans – Tradition und Moderne. Auflage 2. C.H. Beck. München.

Der Katechismus der Katholischen Kirche. Oldenbourg Verlag. München. 2005.

Der edle Qur’an – Die ungefähre Bedeutung in der deutschen Sprache. Auflage 20. Lies-Stiftung. Köln.

Henning, Max (1901):Der Koran. Aus dem Arabischen übertragen und mit einer Einleitung versehen von Ernst Werner & Kurt Rudolph. Reclam Verlag. Leipzig 190; VMA-Verlag. Wiesbaden. 1979

Mendl, Hans (2011): Religionsdidaktik – Kompakt. Auflage 3. Kösel-Verlag. München.

Wolffsohn, Michael (2008): Juden und Christen – Ungleiche Geschwister, Die Geschichte zweier Rivalen. Patmos Verlag. Düsseldorf

Zenger, Erich (1995): Einleitung in das Alte Testament. Auflage 7. Kohlhammer Verlag. Stuttgart